Die neue Seidenstraße ist die chinesische Initiative des 21. Jahrhunderts. Bereits heute ist der Infrastrukturplan mit rund 900 Projekten und prognostizierten Investitionen in Höhe von 900 Milliarden US-Dollar im Verhandlungs- und Planungsstadium ausgestattet. One Belt One Road, so der internationale Titel der Initiative, verläuft von China über Zentralasien bis nach Westeuropa. Mehr als 80 Länder sind bisher entlang der Verbindung involviert, weitere werden folgen. Das beinhaltet neben Infrastrukturaspekten auch geopolitische Fragestellungen.

Anlass genug, für die Messe Nürnberg den Kongress „Seidenstraße 2018 – Handeln auf neuen Wegen“ zu veranstalten. Ziel war es, praktische Lösungsansätze für den deutschen Mittelstand anzubieten und eine weitere Brücke zwischen Deutschland und China zu schlagen.

Die einzelnen Panels des Kongresses widmeten sich Erfahrungsberichten von Unternehmen sowie dem Austausch von Erfolgsstrategien, Fragen zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten sowie der Darstellung von einzelnen Projekten entlang der Seidenstraße. Rund 250 Teilnehmer diskutierten am 24. Juli in der Messe Nürnberg aktuelle Aspekte.

Das Fazit, das alle Redner zogen: Wer an der Initiative One Belt, One Road teilhaben möchte, muss vier Grundsätze berücksichtigen: Zuhören und verstehen, sich auf seine Stärken konzentrieren, Kooperationspartner suchen und Netzwerke nutzen.

Eröffnung

Für Franz Josef Pschierer, Staatsminister des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie, lagen die Vorteile des Kongresses auf der Hand: „China forciert das Projekt ‚Seidenstraße‘ mit enormen Ressourcen und einer klaren strategischen Ausrichtung. Wir müssen unseren Unternehmen in Bayern deutlich machen, welche wirtschaftlichen Chancen darin liegen und gegebenenfalls auch aufzeigen, wo Vorsicht geboten ist.“

Im Anschluss begrüßte auch Herr von Vopelius, Präsident der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken, die 250 Teilnehmer der Veranstaltung: „Die ‚Belt and Road‘-Veranstaltung soll ein ‚Wake-Up-Call‘ für deutsche Unternehmer sein, sich mit dem Thema näher zu befassen. Mit dem Kongress wollen wir für das Thema sensibilisieren, über Projekte und mögliche Strategien der Markterschließung informieren und Firmen motivieren, sich auf den Weg in neue Märkte zu machen.“

„In Asien stellen wir immer wieder fest, dass One Belt, One Road ein Riesen-Thema ist – in Europa und Deutschland bislang noch nicht. Gerade für Unternehmen bündelt der Kongress deshalb die zentralen Fragestellungen und bietet Lösungen und Geschäftsoptionen“, erklärt Peter Ottmann, CEO der Nürnberg Messe Group.

MAO Jingqiu, Generalkonsulin der Volksrepublik China in München, betonte, wie wichtig ein partnerschaftlicher Dialog auf Augenhöhe ist. „Der gemeinsame Aufbau ist für beide Länder von enormer Bedeutung. Denn die regionale Zusammenarbeit ist ein wichtiger Wachstumsfaktor für China und Deutschland.“ Man könne nicht mehr in die Zeiten der Abschottung zurückfallen. Ihre Hoffnung sei es, dass „beide Länder die Gelegenheit beim Schopf packen und Hand in Hand die Zukunft gestalten.“

Seidenstraße 2018: Von der Vision zur Umsetzung

Einen „Clash of economic models“ sah Prof. Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, Ifo-Institut, München, im Handeln Chinas und Europas. Die zentrale Herausforderung sei deshalb „wie wir damit umgehen.“ Denn „China weiß, was es tut. Europa ist im Osten ratlos.“ Die Belt and Road Initiative biete Chancen für Deutschland. So können unter anderem eine Verlagerung der Transporte vom Ozean auf die Schiene die Transportkosten senken und zu langfristig 3,5 Prozent mehr Handel führen. Ein Volumen des Handels der EU mit Eurasien im Umfang von 200 Milliarden Euro hält Felbermayr dadurch für „plausibel.“ Auch sorge die Erschließung von Absatz- und Beschaffungsmärkten für Energiesicherheit. Sein Resümee: Der eurasische Zwischenraum ist unterentwickelt, er bietet deshalb ungeheure Entwicklungschancen.“ Deshalb brauche „Europa dringend eine Eurasien-Strategie.“

Nikolai Putscher, Director Asian Infrastructure Investment Bank, Peking, analysierte die verschiedenen Volumina der Initiative: „Das mit Abstand größte Volumina ist der Landweg (Belt), nicht der Seeweg (Road).“ Die meisten Investitionen gingen an den Energie- und Eisenbahnsektor. Häfen würden nur mit drei Prozent zu Buche schlagen. Sein Ratschlag für den deutschen Mittelstand: Konkrete Kooperationsangebote vorlegen und auch eine Rolle als Unterauftragnehmer in Nischen akzeptieren. So biete beispielsweise der Bereich Services in Kraftwerken Potenzial für Zusammenarbeit.

Tobias Dennehy, Leiter Siemens Belt and Road Task Force bei Siemens AG, München, stellte unter dem Titel „Perspektivenwechsel und Triple Win“ die Arbeit seines global agierende Teams vor. „Zuhören und verstehen“ sowie „Zusammenarbeit und Partnerschaft“ seinen die Pfeiler, auf denen ihre Arbeit basiere. Siemens arbeitet verstärkt mit chinesischen Unternehmen zusammen, in den Ländern der Belt and Road Initiative würden Projekte realisiert, die „wirklich gebraucht werden“. Zudem sei ihnen ein „aktives Mitgestalten der Digitalisierung der Neuen Seidenstraße wichtig.“ Hier sind Zusammenarbeit mit IT-Unternehmen und Start-ups zu nennen. Nicht zuletzt gebe es einen grenzüberschreitenden Austausch mit verschiedenen Interessensgruppen.

Im Experten- und Unternehmerpanel

diskutierten hochrangige Vertreter aus Industrie und Wirtschaft Erfahrungen und Strategien zur Belt and Road Initiative.

Dr. Margot Schüller, GIGA Institut für Asien-Studien, Hamburg, gab zu bedenken: „Wir müssen uns bei Ausschreibungen überlegen, ob nur der Preis für ein Projekt eine Rolle spielt, oder ob nicht auch Faktoren wie Ökologie und Arbeitsbedingungen zählen.“ Für Dr. Schüller sind die Regeln wichtig: „Die Initiative ist gut, aber es stellt sich die Frage nach den Spielregeln. Es geht hier nicht um das ob, sondern das wie. Die Interessen Europas zu bewahren ist von Bedeutung.“

Uwe Leuschner, CEO DB Cargo Russia, Moskau, wies mit Nachdruck darauf hin, dass „uns als Europa eine echte Schienenstrategie fehlt.“ Mehr denn je gelte es, multinationale Lösungen zu finden: „Die Infrastruktur endet nicht an Europas Außengrenzen.“ China wiederum habe in den vergangenen 20 Jahren das größte Eisenbahnnetz der Welt geschaffen. Man sei an Europa heute nicht nur als Absatzmarkt interessiert, sondern auch was Ideen anbelangt. Deshalb sei es wichtig „miteinander zu kommunizieren.“

Dr. Thilo Ketterer, Director China Practice, Rödl & Partner, räumte ein, dass es „relativ schwierig sei, an Großprojekte heranzukommen.“ Dafür könne man aber auf andere Weise partizipieren, beispielsweise als Supplier: „Wir bringen Produkte, Know-how, Ideen und können China damit unterstützen.“ Man müsse „Beziehungsmanagement betreiben, das heißt, in China investieren und Lobbyarbeit leisten.“

Wolfgang Niedermark, Delegierter, Delegation der Deutschen Wirtschaft in Hongkong, sah Hongkong als „Super-Connector.“ Hongkong könne „ein Brückenkopf der Seidenstraße werden.“ Denn die Stadt will sich als „Scharnier für professionelle Dienstleitungen positionieren.“ Er schloss sich auch der Forderung von Dr. Schüller an: „Wir müssen alles daran setzen, dass mehr Transparenz hergestellt wird.“

Die Diskussion moderierte Stephan Scheuer, Redakteur und jahrelanger China-Korrespondent beim Handelsblatt.

Forum Länder und Projekte

Auf Projekte im Bereich erneuerbarer Energien fokussierte sich Corinne Abele, Leiterin Außenwirtschaft, Germany Trade and Invest, Shanghai. Die Investitionen in erneuerbare Energien sind in den vergangenen fünf Jahren auf 479 Milliarden Euro gestiegen. Große Player seien beispielsweise Trinar Solar und Vestas für Offshore Windanlagen. China habe auch das globale Stromversorgungsnetz als Vision. Für Abele ging es aber nicht nur um die Ausführung von Projekten, sondern auch um die Frage „Wie stelle ich mich auf?“ Deutschland sollte sich, so ihr Rat, auf seine Stärken konzentrieren: Dienstleistungen wie Ingenieursleistungen, Hightech (z.B. Bohrtechnologie), und Innovation (Große Windturbinen, Gasturbinen). Ihre Schlussfolgerung: „In Gemeinschaft sind wir erfolgreich.“

Dr. Uwe Strohbach, Regionalmanager für Zentralasien und den Südkaukasus, Germany Trade and Invest, präsentierte einen detaillierten Überblick über die wirtschaftliche Lage in Zentralasien und dem Südkaukasus. Zentralasien mit 71,6 Millionen Einwohnern ist für ihn „ein Markt mit großem Entwicklungspotenzial.“ Der Südkaukasus sei „eine kleine Region mit vielen Geschäftschancen.“ Während in Zentralasien viele staatliche chinesische Unternehmen präsent seien (z.B. Öl, Gas, Erzbergbau), würde im Südkaukasus Engagements von chinesischen Privatfirmen dominieren (Bankenwesen, Telekommunikation). In beiden Regionen sei für deutsche Firmen „noch viel Luft nach oben.“ Außerdem gebe es „ein großes Interesse der lokalen Wirtschaft an deutschen Engagements.“ Für ihn gelte in beiden Regionen der „Gleichklang aus Modernisierung, Diversifizierung und Exporte.“

“Building a mutual-beneficial high-end platform: Promoting new ways of trade” war der Titel des Vortrags von Lucy Tianlu Sun, Executive Chairman of Shenzhen Outbound Alliance (SOA). Shenzhen Outbound Alliance ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die gegründet wurde, um Unternehmen in Shenzhen bei Investitionen und Kooperationen im Ausland zu unterstützen. Anhand des Engagements in Afrika erläuterte sie die Unternehmensstrategie: Hier gelang es im Mobilfunkbereich, den Marktführer Samsung zu überholen. Möglich war dies durch speziell auf den afrikanischen Markt zugeschnittenen Angeboten wie individuelle Möglichkeiten, Bilder zu machen und Musik zu hören sowie die Option, seine Handyrechnung tageweise zu bezahlen.

Über neue Kooperationen im Rahmen der Seidenstraße am Beispiel von Guangdong sprach Jianbo Huang, Director, Guangdong Economic and Trade Office in Europe, München. Die Beziehungen zwischen Bayern und Guangdong sind eng: Zahlreiche bayerische Unternehmen unterhalten intensive Geschäftskontakte mit Guangdong. Umgekehrt haben sich chinesische Unternehmen wie Pearl River Piano, Huawei oder ZTE in Bayern niedergelassen. Der Außenhandel betrug 2017 24,39 Milliarden US Dollar und umfasste bis Ende des vergangenen Jahres 545 Projekte. Die Investitionen von Guangdong nach Deutschland zählen 21 Firmen sowie ein Volumen von 4,46 Milliarden US Dollar. Als „Errungenschaften mit Deutschland“ nannte er: Garantiemechanismen, Verkehrssysteme, Kooperationsprojekte und Industrieparks.

Forum Internationale Finanzierung und Kooperation

Dr. Astrid Skala-Kuhmann, Special Advisor Belt and Road Initiative, GIZ, Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, Berlin, wollte zu Beginn ihres Vortrags „mit dem Mythos aufräumen, die Belt and Road Initiative sei intransparent.“ Nahezu alle bedeutenden UN-Organisationen waren beim BRI-Gipfel vertreten. Die Projekte seien einsehbar. Die GIZ-Beraterin gab den Teilnehmern den Rat: „Es lohnt sich, Wissen zu generieren und Netzwerke aufzubauen.“ Ihrer Erfahrung nach sind deutsche Firmen erfolgreich, wenn sie sich hierauf konzentrieren: Einbringen in chinesische Netzwerke, Teilnahme an relevanten Konferenzen, Lobbyarbeit in Brüssel (u.a. mit Think Tanks) und dem Ausbau der Netzwerke in Berlin (Ministerien).

Martina Koch, Abteilungsdirektorin, FZ-Prüfungen und- Vergaben, KfW, Entwicklungsbank, Frankfurt, stellte in kurzen Zügen ihr Institut vor.

Den gesamten Kongresstag moderierte Stefan Geiger, Geschäftsführer Chinaforum Bayern e.V.

Kooperationspartner der Messe Nürnberg waren die IHKn in Bayern und das Bayerische Wirtschaftsministerium. Sponsoren des Kongresses: Rödl & Partner, CCILP, Bank of China. Premium-Medienpartner: Handelsblatt.

Autorin: Sigrid Eck