
Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen: Ausstellungeröffnung „Kosmischer Transfer“
21. November, 18:00 bis 20:00
Die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Tobias Falberg und Hans-Peter Stark nahm ihren Ausgang im Jahr 2010 während eines gemeinsamen Stipendienaufenthalts im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop. In intensiven Dialogformaten, sowohl im Atelier als auch auf der Dachterrasse mit Ausblick auf Ostsee und Bodden, entwickelten sie das Konzept einer symbiotischen Verbindung von Text und Bild, die über eine rein illustrative Funktion hinausgeht. Seitdem generieren sie gemeinsam Bild-Text-Gedichte sowie spraybasierte Interventionen. Charakteristisch für ihre fortwährende Kooperation ist die wechselseitige Inspiration, bei der die Werke des jeweils anderen als beständige Quelle kreativer Auseinandersetzung dienen.
Im Rahmen der Nürnberger Ausstellung „Kosmischer Transfer“ setzen sich beide Künstler in ihren Werken mit dem lyrischen Erbe des songzeitlichen Dichters Su Dongpo 苏东坡 (1037-1101) auseinander. Den thematischen Kern des Ausstellungsprojekts bildet dessen Gedicht „Auftakt zur Wassermelodie/水调歌头“, verfasst im Jahr 1076 anlässlich des Mittherbstfests, das er seinem Bruder Su Ziyou widmete. Die erste inhaltlich valide deutsche Übersetzung dieses berühmten Werks wurde durch den Lyriker Tobias Falberg in Zusammenarbeit mit seiner Ko-Übersetzerin Xin Sui erarbeitet und interpretiert.
Das Gedicht behandelt in trunken-emotionalem Zustand die Empfindungen von Trennung und familiärer Sehnsucht – zentrale Motive des Mittherbstfests. Es evoziert ein zeitloses Spektrum universaler Themen wie Einsamkeit, Verlangen und die tröstende Dimension des Schönen. Formal eröffnet es mit einer rhetorischen Frage an den Himmel – „Wann zeigt sich die Mondin so hell?“ – und entfaltet sich zu einem philosophischen Zwiegespräch, in dem sich der Dichter zwischen irdischer Existenz und transzendentem „Himmelspalast“ positioniert. Die Oppositionen von Freude und Trauer, Trennung und Wiederbegegnung werden der konstanten, jedoch unvollkommenen Natur des Mondes gegenübergestellt.
Wie die Übersetzer in ihrem Kommentar hervorheben, kommt dem weiblichen Mond in der chinesischen Kultur eine zentrale Rolle zu, die im Gedicht zur „schönen Mondfrau“ stilisiert wird. Der Titel bezieht sich auf die Versform der „Wassermelodie“, eine traditionelle Vortrags- und Liedgattung. Su Dongpo, Universalgelehrter der Song-Dynastie, zählt mit einem Œuvre von rund 2.700 Gedichten zu den einflussreichsten Figuren der chinesischen Literatur- und Kunstgeschichte.
Hans-Peter Stark übersetzt die Symbolik des Gedichts in seinem eigens für die Ausstellung geschaffenen „Der Tanz des Su Dongpo“ in Malerei. Dabei werden Bezüge zur klassischen chinesischen Kunst sichtbar. Schon in einem von 2019 bis 2022 entstandenen Bildzyklus, von dem einige Werke in der Ausstellung zu sehen sind, zeigt sich Starks Faszination für die Ästhetik der chinesischen Malerei. Bezeichnend ist die Fokussierung auf das Spannungsverhältnis von Landschaft und Zivilisation. Neben idyllische treten affektgeladene Motive, die z.B. Angst und Melancholie transportieren.
Auch in der malerischen Ausführung gibt es Parallelen: Die gezielte Setzung der Farbe, die keine Änderung mehr zulässt, verleiht den Werken eine unmittelbare energetische Qualität. Die Reduktion der Palette auf wenig Farbtöne und die gezielte Einbeziehung des weißen Malgrundes bewirken eine meditative Verdichtung und aktivieren die Rezeption durch imaginative Vervollständigung seitens des Betrachters. Auch der für die chinesische Malerei charakteristische Gegensatz von fließenden, weichen und festen, harten Formen spielt in Starks Bildern eine wichtige Rolle. Körper und Gegenstände, häufig mithilfe von Schablonen gemalt und gesprayt, wirken durch die unterschiedliche Qualität ihrer Konturen transparent und in Auflösung begriffen – gleichzeitig aber scheinen sie ihre feste Form gerade erst herauszubilden. So bleiben sie in ständiger optischer Bewegung und deutungsoffen.
Die multimedial konzipierte Ausstellung veranschaulicht die wechselseitige Bezugnahme von Text und Bild und reagiert zugleich auf die architektonischen Gegebenheiten des Kunstraums. Falberg und Stark installieren ihr erstes begehbares Bild-Text-Gedicht. Ihre Bild-Text-Gedichte haben sie bereits in zahlreichen Institutionen und Formaten präsentiert, darunter Wien, Nürnberg, das 33. Poetenfest Erlangen, die Villa Ichon in Bremen sowie unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin. Bereits 2011 zeigten sie gemeinsame Arbeiten im Galeriehaus Nord.
Ihre Werke, die unter titelgebenden Formeln wie „Hundertvierzig Quintillionen Grad“, „Wir singen das Wort Kerosin“, „In den Äther tätowiert“ oder „Zirkulieren im Sprachrohr“ firmieren, erfahren international Resonanz in Literaturhäusern, Galerien und Bibliotheken und loten fortwährend die Grenzen zwischen sprachlichem und visuellem Ausdruck aus. Passend dazu veröffentlicht die Nürnberger Edition Blumen diesen Herbst eine repräsentative Auswahl von Bild-Text-Gedichten aus den Jahren 2011 bis 2023 in einem eigenständigen Band.
Tobias Falberg, 1976 in Lutherstadt Wittenberg geboren, ist ein mehrfach ausgezeichneter Lyriker und Prosaautor und lebt im Raum Nürnberg. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Literaturpreis der Nürnberger Kulturläden, das Autorenstipendium des Künstlerhauses Lukas in Ahrenshoop und der Feldkircher Lyrikpreis. Für seinen Gedichtband „Plastiniertes Gelände“ erhielt er 2013 den Literaturförderpreis der Kulturstiftung Erlangen. 2022 wurde ihm das Stipendium für Junge Kunst und neue Wege des Freistaates Bayern verliehen.
Hans-Peter Stark, 1971 in Stuttgart geboren, ist bildender Künstler und lebt in Berlin. Er arbeitet in den Bereichen Malerei, Objektkunst und Papierarbeiten. Seine Werke wurden bereits in Berlin, Hamburg, Frankfurt a.M., Stuttgart, Nürnberg, Turin und Bologna gezeigt. Er erhielt unter anderem den Bosch WORK-ART Förderpreis und das Salzburg-Stipendium der Stadt Mainz. Werke von ihm befinden sich in namhaften Sammlungen, darunter die der Staatsgalerie Stuttgart, des Kölnischen Stadtmuseums (Artothek), der Stadt Mainz und der SØR Rusche Sammlung in Bielefeld. Im Oktober 2025 stellte Stark in der Gruppenausstellung TO BE ANNOUNCED mit Künstlerinnen des Berliner Projektraums Axel Obiger in Mexiko City aus.
Ausstellungslaufzeit: 22.11.2025 – 24.01.2026
Öffnungszeiten des Kunstraums: Mittwoch bis Samstag von 13 bis 18 Uhr
Vernissage: Freitag, 21. November 2025, 18 Uhr (Die Künstler werden anwesend sein.)
Ort: Kunstraum des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen, Pirckheimerstraße 36, 90408 Nürnberg