Reisebericht des Teilnehmers Erich P. Roedner
Das Ziel unserer diesjährigen Reise: Die Provinz Jiangsu mit ihren 80 Millionen Einwohnern. Neun Teilnehmer waren vom 6. bis 14. Oktober 2017 bei verschiedenen Unternehmen zu Gast. Die abwechslungsreiche Tour bot Einblicke in modernste Fertigungsstätten und Firmen – oftmals mit überraschenden Erkenntnissen.
Unsere Reise startete in Nanjing bei BASF VPC Company Ltd. Dort wurden wir vom deutschen Geschäftsführer und dem Leiter der Personalabteilung empfangen. Das Unternehmen, das 1.500 Mitarbeiter beschäftigt, ist ein 50-50 Joint Venture mit der chinesischen Sinopec und produziert ausschließlich für den chinesischen Markt.
Besonders beeindruckt waren wir von der positiven Einstellung der beiden BASF-Vertreter, die sich zum Leben und Arbeiten in China, etwa mit Familie und schulpflichtigen Kindern äußerten und die Fragen ihrer Gäste bereitwillig beantworteten. Nach einer Fahrt über das Gelände des BASF-Teiles und der Besichtigung des Gefahrenüberwachungszentrums endete der Besuch bei einem gemeinsamen Mittagessen.
Im Anschluss ging es zu BSH Home Appliances Group, die ebenfalls in Nanjing ansässig ist. Überraschend für unsere deutsche Delegation: Kochherde und Geschirrspüler, von denen 90 Prozent für den chinesischen Markt produziert werden, können nicht mit den Bedürfnissen in Europa verglichen werden.
Der General Manager erklärte: Herde haben in China nur zwei Kochstellen, Geschirrspüler andere Bauformen und Größen. Waschmaschinen müssen eine durchschnittliche Kapazität von zirka zehn Kilogramm haben. Dabei waschen Chinesen nicht selten mehrmals am Tag. Waschmaschinen stehen im Zentrum des Wohnbereiches, häufig im Schlafzimmer. Deshalb spielt beim Kauf eine große Rolle, wie geräuscharm eine Waschmaschine ist.
Auch das ist den chinesischen Kunden wichtig: Optisch müssen die Geräte viel höheren optischen Ansprüchen genügen. Sie sind mit Mustern versehen und die Glastüren sind beleuchtet. Beim Rundgang durch die Produktion konnten sich die Teilnehmer von den modernsten Fertigungslinien, die denen Europas absolut gleichzusetzen sind, überzeugen.
Ein weiteres Highlight der Reise war der Besuch bei Sharehouse in Nanjing. Das Unternehmen steht unter einer deutsch-chinesischer Führung und ermöglicht Mittelständlern aus Deutschland einen kostengünstigen und kontrollierten Markteintritt.
Auf 1.500 Quadratmetern werden Büros verschiedener Größe angeboten, von dort aus der Vertrieb in China gestartet werden kann. Dazu gibt es Hilfestellung bei der Unternehmensgründung, Personalsuche, Finanzbuchhaltung / Firmenverwaltung. Sharehouse verfügt außerdem über Erfahrung in Logistik, Import – und Export und kann bei Bedarf Lagerflächen zur Verfügung stellen. Deshalb ist man in diesem Unternehmen der Überzeugung:„Eine einfache Kostenstruktur sorgt für überschaubare und kalkulierbare Investitionsplanung.“
Zu unserem China-Aufenthalt zählte auch ein Kurzbesuch bei Wemhöner (Changzhou) Machinery Manufacturing Co. Ltd. Sie wurde 2007 als Tochterunternehmen von Wemhöner Deutschland in Herford gegründet. In Asien wird ausschließlich für den chinesischen Markt gefertigt, zum Beispiel Möbelpressen.
China, insbesondere Städte wie Changzhou im Yangtze Delta, streben mit großen Schritten wirtschaftlich vorwärts. Das vermittelte eine Stippvisite des Stadtplanungsmuseum in Changzhou und das Abendessen mit dem Vize-Bürgermeister FANG Guoqiang sehr deutlich: Changzhou ist eine Stadt zwischen gestern, heute und morgen.
Neben Trinar Solar Energy haben Unternehmen wie Bosch Rexroth, Thyssen Krupp, Valvetrain, Bridgestone und Komatsu Fertigungsstätten in Chanzhou (Quelle: The way of intelligent Manufacturing, investing in China 2017).
Wissenswertes über Changzhou: Mit 4,7 Millionen Einwohnern liegt Changzhou auf der Linie Nanjing Shanghai, einer Strecke von 270 km und ist an das Hochgeschwindigkeitsnetz der chinesischen Staatsbahn angebunden. Die Strecke nach Shanghai, immerhin 160 Kilometer entfernt, kann man in schnellen 33 Minuten mit dem Hochgeschwindigkeitszug CRH erreichen. Im Changzhou Science und Education Town studieren mehr als 80.000 Studenten. Mittlerweile wird das „Duale System“ aktiv eingeführt.
Der dritte Tag der Unternehmerreise begann mit einem Besuch bei Trinar Solar Energy Co. Ltd., dem mit 14.000 Mitarbeitern weltweit größten Hersteller von Photovoltaik ( PV ) Modulen. Übrigens: Einer der Abnehmer ist die Bayerische Staatskanzlei.
Das Besondere an Trinar Solar: Die Firma stellte wiederholt den Weltrekord für Zelleneffektivität und Modulleistung auf. Das private Unternehmen wurde 1997 gegründet und hat sich auf die Entwicklung und Fertigung von kristallinen Silicon Photovoltaik Modulen spezialisiert. Inzwischen arbeiten Mitarbeiter aus mehr als 20 Ländern in Entwicklung und Management. 2014 wurde es der größte Hersteller von PV Modulen in Stück.
Trinar Solar unterhält Hauptquartiere in Zürich für Europa und Afrika, ist in San Jose, Kalifornien/USA, Singapur sowie in Middle East ansässig und seit kurzem auch in Thailand. Mittlerweile werden Trinar Solar Produkte in mehr als 30 Länder verkauft. Mit dem Solar-Fahrzeug, das der Gruppe bei der Firmenbesichtigung präsentiert und erklärt wurde, hat Trinar Solar den FIA Energies Cup zuletzt in Australien gewonnen.
Die Reise ging anschließend weiter zum chinesischen Hersteller von Textilmaschinen, Diba Textile Machinery Co. Ltd., in Changzhou. Während des Rundgangs durch die Fertigung wurden einzelne Komponenten der Maschinen vorgestellt und erläutert.
Auf dem gleichen Gelände ist auch ein zweites Unternehmen ansässig – PGTEX. Dort werden Glasfiber gefertigt sowie Carbonfiber, Hybridfiber, Aranud Fiber und Uhmwpe Fiber, besser bekannt als Polyethylen. Diese Materialien werden weltweit exportiert und finden im Flugzeugbau, der Automobilindustrie, bei der Eisenbahn und im Sport Verwendung. Anhand von Mustern erhielten wir einen Eindruck von der Produktion.
Offener zeigte man sich tags darauf bei Continental Automotive Systems Changshu Co. Ltd. Dort werden Bremssysteme für chinesische Automobilhersteller gefertigt. Neben Teilen für die Scheibenbremsen hat man hier auch ein Trommelbremstyp, speziell für einen chinesischen Fahrzeughersteller entwickelt und stellt ihn her.
Continental fertigt auf hochmodernen Fertigungsstraßen zehn Millionen Bremssysteme an. Das ehrgeizige Ziel sind 15 Millionen pro Jahr. Bereits im kommenden Jahr ist die Einführung einer elektronischen Parkbremse geplant. Erste Maschinen dafür wurden bereits in der Produktion installiert.
Seit 2008 werden Bremssysteme in Changshu mit 1.459 Mitarbeitern im Dreischichtbetrieb gefertigt. Kunden sind unter anderem Mazda, DB, Subaru und andere europäische Hersteller, die ihre Fahrzeuge in China produzieren. 35 Prozent der Produktion gehen in den Export nach Australien, Indien und Japan. Die chinesische Autoproduktion liegt momentan bei 20 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Künftig soll sie verdoppelt werden.
Der Aufenthalt bei Changshu Fenfan Power Equipment Co.Ltd. fand am Nachmittag – im Gegensatz zu den anderen Empfängen – nur im Bürogebäude statt. Dafür nahm sich der Eigentümer des Privatunternehmensmehrere Stunden Zeit für den Besuch aus Deutschland und verpflegte seine Gäste während der Konferenz mit Tee und Obst aus eigenem Anbau.
Gegründet wurde Fengfan Power 1993. Seit 2011 werden ihre Aktien an der Shanghaier Börse gehandelt. Zu den Produkten gehören verschiedenste Stahlprofile für Strom- und Sendemasten. Auch Gerüstteile zählen zu den 380.000 Tonnen Stahl, die gefertigt oder auch verbaut werden. Für den Hausbau – fast ausschließlich Einfamilienhäuser – werden Paneele und Isoliermaterial produziert.
Das Unternehmen exportiert nach Australien, Afrika und in den Nahen Osten. Gute Kontakte bestehen zur LMU und TMU in München, natürlich auch zur chinesischen Regierung. Beschäftigt werden heute mehr als 1.800 Mitarbeiter.
Mit dem Besuch des German Center,Taicang, näherten sich die Vertreter des Chinaforums Bayern dem Großraum Shanghai. Das am 1. Juni 2016 eröffnete Center vermietet Büroflächen und Konferenzräume für KMUs zum Markteintritt und hat bereits 28 Mieter, davon 22 deutsche.
Als Tochter des German Centers Shanghai (ein weiteres gibt es in Peking) bietet man in der Metropole Shanghai Neueinsteigern und bereits in China etablierten Unternehmen die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches China-Engagement.
Ein Grund für die Eröffnung des Büros Taicang sei – so wurde uns erklärt – die starke Präsenz deutscher produzierender Unternehmen in Taicang. Einmal mehr hier wurde betont, dass diese Firmen ausschließlich für den chinesischen Markt produzieren.
Am Nachmittag folgte ein weiterer Besuch eines deutschen Unternehmens, der Krones Machinery (Taicang) Co. Ltd. Krones, einem weltweit führenden Hersteller von Verpackungs- und Abfüllmaschinen aus Neutraubling bei Regensburg. Krones fertigt seit 2004 Komponenten ausschließlich für den chinesischen Markt, zum Beispiel Maschinen für die Herstellung von PET-Flaschen, die aus Deutschland geliefert werden. Sie erhalten in Taicang nach Anpassung an lokale Anforderungen das letzte Finish, bevor sie an Kunden auf dem chinesischen Markt geliefert werden.
Mit 600 Mitarbeitern wird 10 Prozent des Krones-Gruppenumsatzes in China erwirtschaftet. In der Krones Academy werden in Kooperation mit verschiedenen Instituten Fachkräfte aus ganz Asien in Theorie und Praxis ausgebildet. Das englisch-schwedische Management erläuterte uns die modernen Fertigungseinrichtungen bei einem Rundgang.
Ein letztes Highlight der einwöchigen Delegationsreise war der Besuch bei Startup Factory in Kunshan. Sie liegt in dem German Industrial Park genannten Areal, rund 1,5 Autostunden von Shanghai entfernt. Geführt wird die Startup Factory von einem deutschen Management, mit mehr als 25 Jahren Chinaerfahrung. Hier haben deutsche Mittelständler die Möglichkeit, Produktion, Service und Vertrieb aufzubauen.
Gegründet 2012, bietet das Unternehmen Flächen in Produktionshallen zwischen 200 und 2000 Quadratmeter, inklusive Produktionsinfrastruktur sowie Büros und Meeting-Räume an.
Die Neuankömmlinge werden durchschnittlich zwei bis vier Jahren begleitet. Dazu zählen auch die Gründung, Geschäftsführung, Personalabteilung, Administration und Finanzbuchhaltung. Beschäftigt werden mittlerweile 250 Mitarbeiter von 25 Firmen.
Ein bayrisch chinesischer Grillabend auf dem Dachgarten der Startup Factory bildete den Abschluss der einwöchigen Delegationsreise, die gespickt war mit unzähligen Informationen, überraschenden Aussagen und der immer wieder beeindruckenden Gastfreundlichkeit der Asiaten.
Nach der China-Insight-Tour nutzten einige Teilnehmer die Chance und verbrachen noch ein paar Tage in Shanghai und Umgebung.
EPR, Dezember 2017