„Von einem Gewinner können wir nicht sprechen. Eher von den Besten unter den Verlierern.“ Mit dieser nüchternen Analyse stieg Bernd Reitmeier, Managing Director der Startup Factory Kunshan, in seinen Vortrag “And the Winner is… China?!“ ein. So manche privaten Urlaubsfotos aus China, die in Medien und sozialen Netzwerken kursieren, ließen zwar Normalität vermuten, „aber wir befinden uns weit weg von Normalität“, sagte der Geschäftsführer von derzeit 37 deutschen Mittelständlern bei China@Home am 17. Juni 2020. Die Behörden legen großen Wert auf die Bekämpfung des Virus‘, doch nach wie vor sei die Situation volatil. Zu den Problemen zählen die Einreise- und die unterschiedlichen Quarantänebestimmungen sowie Reisebeschränkungen innerhalb Chinas.

Im ersten Quartal 2020 fiel Chinas Bruttoinlandsprodukt (GDP) um 6,8 Prozent. Dabei wiesen die Sektoren („China Economic Indicators“) unterschiedliche Entwicklungen auf. Retail Sales, bislang eine der treibenden Kräfte des Wirtschaftswachstums, verlor im Januar/Februar 20,5 Prozent, bewegte sich im Mai immerhin bei nur noch minus 2,8 Prozent. Auch der Immobiliensektor brach um bis zu 16,3 Prozent ein, liegt inzwischen aber wieder auf dem Niveau von vor dem Ausbruch der Pandemie. Der Außenhandel verlor aufgrund von Lieferengpässen, ebenso wies der Import eine sinkende Nachfrage auf. „Die drastisch sinkenden Importe in China belegen, dass auch die Exporte rückläufig sind“, stellte Reitmeier fest. Immerhin stieg die Automobilindustrie um 14,5 Prozent an. „Wir sprechen hier von Erholung, aber nicht von Rekordzahlen.“

Aktuelles Problem Nummer eins sei das Konsumverhalten. Hier befragte Tradingeconomics.com mehrere tausend Menschen in China. Im April 2020 lag der Consumer Confidence Index bei 116,4. Zum Vergleich: Im Dezember 2019 und Januar 2020 hatte er die 126 Punkte-Marke überschritten. Problem Nummer zwei sind die chinesischen Exportländer wie USA und Hong Kong.

Positiv zu verzeichnen ist: Die Behörden wollen Unternehmungsschließungen und die damit verbundene Arbeitslosigkeit unbedingt vermeiden. Deshalb hat die chinesische Regierung Konjunkturprogramme beschlossen. Für Unternehmen werden Liquiditätshilfen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar aufgelegt. Zusätzlich wird die Sozialversicherung reduziert. Der Fokus liegt hier, so Reitmeier, auf dem Arbeitsmarkt, nicht auf Wachstum. Vouchermodelle sollen für schnelle Konsumsteigerung sorgen. Der dritte Schritt ist ein „zukunftsorientiertes Stimuluspaket“ in sieben Bereichen, darunter 5G Netzwerke, erneuerbare Energien, KI, U-Bahn-Bauten und Ladestationen für E-Autos.

Wie die künftige Entwicklung aussehen könnte, zeigte der Referent anhand von verschiedenen Szenarien auf, die jeweils von der Virusbekämpfung, ihren Erfolgen und den wirtschaftlichen Stimulusmaßnahmen abhängen. Doch schon heute könne man sagen: E-Commerce, Online-Entertainment und die Automobilbranche profitieren, Consumer Electronics und Tourismus zählen zu den Verlierern der Entwicklung. „Die Digitalisierung erweist sich hier als Wettbewerbsvorteil“, bilanzierte Reitmeier. „China ist uns hier Meilen voraus.“ Neue Felder wie medizinische Beratung und virtuelle Showrooms für Immobilienbesichtigungen sind nur zwei Beispiele dafür.

Im Anschluss an den Vortrag nutzten die mehr als 70 Teilnehmer aus Deutschland und China den Austausch im virtuellen Forum. Die Diskussion moderierte Stefan Geiger, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Chinaforum Bayern e.V.

China@Home am 17.06.2020: „And the Winner is… China?!“

Autorin: Sigrid Eck